BERLINER PHILATELISTEN-KLUB VON 1888 E.V.


Die kleinen Vorlagen der 2843. Sitzung vom 8. August 2022

(Auswahl)








Kriegsgefangenenkarte des portugiesischen Offiziers António Emilio da Cunha Santos vom 4. August 1918 über das Hilfskomitee für portugiesische Militär- und Zivilkriegsgefangene in Lausanne an seinen Vater Francisco dos Santos Bernardes in Torres Vedras/Portugal. Vorderseitig violetter, rechteckiger Prüfstempel sowie runder Briefstempel des Lagers für Offiziersgefangene Breesen, schwarzer Aufgabestempel Roggendorf (Amt Gadebusch) 22 8 18, roter dreizeiliger Transitstempel London Paid Oct 7 .. sowie Abschlag eines britischen?, violetten Zensurstempels P. C., weiter ein schwarzer Abschlag des portugiesischer Zensurstempel CENSURA N° 8 und der Ankunftstempel von Torres Vedras vom 28.10.1918. Rückseitig auf dem Textteil befindet sich ein weiterer rechteckiger Prüfstempel. Im Text teilt der Absender mit, dass er sich weiterhin bei guter Gesundheit befände. Er habe noch keinerlei Nachricht von zu Hause erhalten, ihm sei jedoch übermittelt worden, dass eine Geldsendung an ihn abgesandt worden sei, die aber weder angekommen sei, noch wisse er um den Betrag. Über Briefe von Kameraden habe er erfahren, dass es eine Möglichkeit gäbe, durch englische Vermittlung Sendungen an portugiesische Gefangene rascher zu versenden, weshalb er anrate, diesen Weg zu benutzen, um ihm Nachrichten und Geld zukommen zu lassen. In Breesen-Chaussee, einem kleinen Ort nahe Roggendorf, zwischen Gadebusch und Ratzeburg gelegen, existierte zwischen 1917 und 1919 ein Kriegsgefangenenlager für portugiesische Offiziere. Die Insassen des Lagers stammten von dem 18km langen Frontabschnitt am Flüsschen La Lys in Belgien, wo zwischen dem 02.02.1917 und dem 11.11.1918 portugiesischen Truppen gegen deutsche Truppen in einem erbitterten Grabenkrieg kämpften. Insgesamt waren 100.000 portugiesische Soldaten dort stationiert, von denen über 30.000 während der Kämpfe fielen. Eine Vielzahl an Soldaten ging in deutsche Kriegsgefangenschaft, die Offiziere kamen in das speziell für sie errichtete Lager in Breesen. In dem Lager waren bis März 1919 261 portugiesische Offiziere und 17 Gefreite untergebracht. Da nach dem Haager Abkommen Offiziere nicht zur Arbeit verpflichtet waren, bedurfte es 17 Gefreiter, um die notwendigen, täglichen Arbeiten zu verrichten. Die Gefreiten fühlten sich von den portugiesischen Offizieren schikaniert und ungerecht behandelt, so dass es bei dem einzigen aktenkundig gewordenen Aufstand im Lager im Frühjahr 1918 um einen Vorfall handelte, bei dem die 17 portugiesischen Gefreiten die Offiziersstube überfielen und die dort angetroffenen portugiesischen Offiziere verprügelten. Dies wiederum veranlassten den deutschen Lagerkommandanten, als Reaktion ein Schreiben zu erlassen, bei dem er appellierte: "Auserlesenste Herren Offiziere und gemeine Soldaten! Ich ermahne Sie im Namen der Uniform, die sie tragen, der portugiesischen Nation die Ehre zu erweisen, deren Söhne Sie sind und die Sie nun in einem fremden Land repräsentieren. Ich beschwöre Sie, die Bedingungen der Gefangenschaft durch Ihren Streit unter Brüdern nicht zu verschlimmern." Das Verhältnis der Bewacher zu den Gefangenen und deren Behandlung soll zeitgenössischen Texten zufolge den Umständen entsprechend gut gewesen sei, so habe die ungewohnte Kost ("Steckrübenwinter") eines der größten Probleme dargestellt. Da nach Kriegsende ein unverzüglicher Rücktransport der Portugiesen logistisch nicht möglich gewesen ist, mussten die Gefangenen noch bis in den März 1919 aushalten, bevor sie wieder in der Heimat ihren heißgeliebten Bacalhau verzehren konnten. Die Erinnerungen an das Gefangenenlager sind trotz der Bemühungen ehemaliger portugiesischer Gefangener verloren gegangen, da insbesondere das Salazar-Regime derartige Aktivitäten unterband, da die Erinnerung an die Niederlage für die Moral der Armee nicht gut sei. Auch die DDR-Organe zeigten nach dem zweiten Weltkrieg kein besonders Interesse daran, pensionierte Offiziere eines NATO-Landes einreisen zu lassen. Quelle: Andreas Lausen, Vortrag zum Kriegsgefangenenlager Breesen-Chaussee, 2018