BERLINER PHILATELISTEN-KLUB VON 1888 E.V.


Die kleinen Vorlagen der 2825. Sitzung vom 4. Oktober 2021

(Auswahl)








Brief von CHEMNITZ 1. Nov. 1849 (Ersttag des Schwarzen Einsers von Bayern) nach Plauen im Vogtland mit 3 Garnproben im Innenteil (noch vorhanden). Als "Inliegend Muster ohne Werth" ohne Gewichtsangabe aufgegeben






Schweizer Gzs. Aus Basel, geschrieben am 9. Januar 1945, gestempelt 11.4.45,
adressiert an die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" in Berlin 65, Iranische Str. 2, Empfänger Ilse Silberberg in Bergen-Belsen, Block 13. Die Karte wurde überrollt und trägt den amerikanischer Zensurstempel 13032 von München. Die angeschriebene Reichsvereinigung der Juden nutzte u.a. Räume im Jüdischen Kranken¬haus in Berlin-Wedding. Sie wurde am 4. Juli 1939 gegründet und stand ab September 1939 unter Kontrolle des Reichssicherheitshauptamtes und der Gestapo. Ihre Aufgabe bestand u.a. in der jüdischen Wohlfahrtspflege, Unterstützung jüdischer Bürger bei der Auswanderung und Betreuung von Menschen in Konzentrationslagern. Der Absender ist Dr. Markus Cohn, Zionist, Rechtsanwalt, Sachverständiger für jüdisches Recht und Herausgeber eines entsprechenden Lexikons. Er ist auch Namensgeber für die bedeutende juristische Fachbibliothek in Jerusalem. Seine Kanzlei in Basel, Austrasse 16 war eine Anlaufstelle für flüchtende Juden vor allem aus Ländern, die von der deutschen Wehrmacht besetzt worden waren. Er kümmerte sich auch um jüdische KZ-Häftlinge z.B. in Theresienstadt und Bergen-Belsen. So auch um Frau Emma Ilse Silberberg-Plauth, geb. 3. Mai 1895 in Siegen. Sie war mit Ludwig Silberberg verheiratet, der in Grätz (Posen) am 5. November 1886 geboren und am 3. Januar 1945 im KZ Bergen-Belsen ermordet worden ist. Ihr gemeinsamer Sohn, Heinz Rafael, geb. 4. Dezember 1920 in Berlin, wurde bereits am 10. November 1942 im KZ Mauthausen ermordet. Hinweise auf die im Beleg erwähnte Tochter haben sich nicht finden lassen. Frau Silberberg starb am 6. Mai 1945 an Typhus in Tröbitz (Brandenburg), einem 700 Seelenort in der Lausitz. Warum? Ca. eine Woche bevor die britische Armee das KZ Bergen-Belsen am 15. April 1945 befreite, wurden die Häftlinge in 3 Transportzügen evakuiert. Der letzte Zug mit etwa 2500 Häftlingen verließ das KZ Bergen-Belsen am 10. April in Richtung Theresienstadt. Während der Fahrt brach eine Typhusepidemie aus, die etwa 500 Opfer zur Folge hatte. Die Toten wurden unterwegs neben den Bahngleisen beerdigt. Die Zugfahrt endete in Tröbitz vor einer ge¬spreng¬ten Brücke über die Schwarze Elster am 21. April 1945. Zwei Tage später wurde Tröbitz und damit der Zug durch die Rote Armee befreit. Die ca. 2000 überlebenden, aus¬gehungerten und kranken Menschen wurden von der Roten Armee und den Einwohnern von Tröbitz versorgt. Frau Silberberg und weitere 320 an Erschöpfung oder Typhus Verstorbene wurden in Tröbitz und den umliegenden Ortschaften beerdigt. Später wurde Frau Silberberg exhumiert und auf dem Jüdischen Friedhof in Arnheim, Niederlande, endgültig zur Ruhe gebettet. In den Todeslisten wird Ihre Nationalität vermutlich deshalb mit Niederlande angegeben. Es ist auch denkbar, dass ihre Familie dort im Exil gelebt hatte. Der Zug wurde von der Bevölkerung "Der verlorene Transport" bzw. "Der verlorene Zug" genannt. Der 23. April wird in der Gemeinde Tröbitz als Gedenktag begangen.
Nur ein "kleiner" Beleg, der ein eindrucksvolles Zeitdokument i.S. der social philatelie darstellt.